Die Kurische Nehrung im Winter

Sie können sich auch im Winter auf der Kurischen Nehrung erholen und an kalten sonnigen Tagen bei klarer Luft am Haff oder sogar auf dem zugefrorenen Haff spazieren oder durch den verschneiten Kiefernwald an die Ostsee gehen. Beachten Sie bitte im Winter unsere Sonderangebote

Die Eisfischerei auf dem zugefrorenen Haff.

Im Winter organisiert BalticTravel ein Erlebnis besonderer Art auf der Kurische Nehrung: die Eisfischerei auf dem zugefrorenen Haff. Früher ging es mit Pferden und Schlitten hinaus – heute mit einem Snowmobile. Doch die sogenannte Klappfischerei wird noch genau wie vor über 100 Jahren betrieben.

  

Reisebericht über die Klappfischerei:

KLAPPERN GEHÖRT ZUM HANDWERK !

Schon mal was von Klappfischerei gehört?

Bei den Fischern auf der Kurischen Nehrung im ehemaligen Ostpreußen, heute zu Litauen und Russland gehörend, gehörte Klappern immer schon zum Handwerk, denn bei dieser Netzfischerei unter Eis wurden die Fische durch klappernde Geräusche angelockt.

von Dr. Bernd Schimpke:

Das Kurische Haff friert auch heutzutage noch alljährlich zu – und die Klappfischerei existiert immer noch. Die “Eiszeiten” sind zwar kürzer geworden und weniger vorhersehbar: auch sind sie nicht vergleichbar mit den Wintern vergangener Jahre, aber es wird in dieser Region immer noch so kalt, dass das Eis auf dem Haff eine Stärke von mehr als 10 Zentimeter erreicht. Dann kann man gefahrlos mit Snowmobilen, Motorrädern oder sogar PKW auf das Haff hinausfahren.

Die Berufsfischer haben schon lange vor dem Zufrieren des Haffs ihr Gerät in Ordnung gebracht, um keinen Tag zu verpassen. Die Klappfischerei ist eine sehr alte Art und Weise des Fischens, die weit über 100 Jahre alt ist und deren Pachtrechte sich von Generation zu Generation vererbt haben. Allerdings hat sich die Ausrüstung im Laufe der Jahrzehnte modernisiert, zumindest was die Fortbewegung anbetrifft.

Heute gehören zur Ausrüstung ein Snowmobil und ein oder zwei große Schlitten, um Gerät und Fischer an die “verheißungsvollen” Stellen auf das Haff hinauszufahren.
An Gerät wird mitgenommen: eine Eisaxt, die sich durch einen extralangen Schaft auszeichnet, eine Schöpfkelle, um Eisstücke aus der Öffnung zu entfernen, zwei Stellnetze von ca. 10 Meter Länge und knapp über 1 Meter Tiefe, eine sehr lange Holzstange (heute verwendet man auch schon Aluminiumstangen) um die Netze unter das Eis zu schieben, ein ebenfalls sehr langes Holzbrett, zwei Holzschlegel, einen Hocker, ein großes Windsegel, das die Fischer vor dem eisigen Wind schützt, und Proviant, denn man bleibt den ganzen Tag bis spät in die Nacht draußen. Die Verpflegung besteht aus kräftigen Wurstbroten, fettem Speck, geräuchertem Fisch und viel Wodka.

Schon vor Sonnenaufgang treffen sich die Fischer am Haff in Nidden/Nida, gut eingepackt in alte speckige Jacken und mit dicken russischen Filzstiefeln ausgestattet. Hinaus geht es auf das zugefrorene schneebedeckte Haff. Bald wird das monotone Motorgräusch des Snowmobils immer leiser, und die Fischer entgleiten den Augen der Zurückgebliebenen am Horizont. Dieser ist bald nicht mehr wahrnehmbar, denn Schnee und Himmel gehen bei Sonnenlicht ineinander über, ohne daß man den Horizont erkennt. Draußen wartet harte Arbeit, nachdem man sich während der Fahrt geeinigt hat, wo das erste Loch in die Eisdecke geschlagen bzw. gesägt werden soll. Heutzutage benutzen die Fischer nämlich vielfach eine Kettensäge, um sich die Arbeit zu erleichtern.

MIT KETTENSÄGE DURCHS EIS

Man hat sich für eine Stelle Richtung Südosten, unweit der russischen Grenze entschieden.
Die Motorsäge heult auf, aber der Schnee dämpft das laute Geräusch und das Sägen klingt richtig beruhigend. Auf einer Fläche von ca. 80×80 Zentimeter soll das Eis weichen. Doch die Säge schafft es nicht, eine solche Platte herauszutrennen. Die Eisaxt muß her, und schließlich schwimmt die Platte. Doch wie heraus mit dem glitschigen Eisblock, der schätzungsweise zwei Zentner wiegt? Abwechselnd schlagen die Fischer den Block mit der Eisaxt in kleinere Stücke und heben diese mit ihren Händen aus dem kalten Wasser, eine wirklich harte Arbeit.

Endlich ist es geschafft, die letzten kleinen Eisstücke werden mit der Schöpfkelle herausgenommen, mit der auch später das von den Wänden immer wieder nachwachsende Eis aus der Öffnung entfernt wird. Danach wird erst einmal ein kräftiger Schluck Wasser aus dem Haff getrunken, zusammen mit einem Wodka. Sie haben es sich verdient: Jonas, Ginteras, Albertas und Arunas, zusammen mit ihrem Begleiter.

TROMMELN FÜR DIE FISCHE

Das Fischen kann beginnen. Ein Netz wird am Ende der langen Holzstange befestigt und durch die Eisöffnung unter das Eis geschobenund die andere Hälfte in die entgegengesetzte Richtung. Dann das zweite Netz, es wird genau rechtwinklig zu dem bereits gestellten Netz unter das Eis gebracht. Zu guter Letzt wird schließlich das lange starke Holzbrett unter das Eis geschoben. Die Blicke der Fische gehen herum, wer fängt an zu klappern? Arunas ist es, er stellt sich den primitiven Hocker vor das Brett, nimmt die beiden Holzschlegel und haut kräftig auf das Ende des Brettes, sa dass es weit bis an die Ufer des Haffs zu hören ist.
Seine Kollegen haben inzwischen den Windschutz aufgestellt und essen eine erste Scheibe Brot.

Einer befestigt noch behutsam zwei Schwimmer an den Netzen. So können sie besser erkennen, wenn ein Fisch ins Netz gegangen ist. Aber es tut sich nichts. Unaufhaltsam schlägt Arunas auf das Brett, um so die Fische aus ihrer Winterruhe zu wecken. Das monotone Holzgeklapper klingt wie Musik von Eingeborenen aus Afrika. Nun tönt es auch von anderer Stelle herüber, ohne dass man die anderen Fische sehen kann, so blendet das Sonnenlicht auf der gleißenden Fläche – hier hat das Wort “schneeweiss” noch seine Bedeutung.

Da, ein Schwimmer bewegt sich unregelmäßig. Ein Lächeln geht über die Gesichter der Beteiligten, und Arunas hört auf zu schlagen. Ein anderer ist an der Reihe.
Die Zeit vergeht. die Ersten werden unruhig und man entscheidet sich, die Netze einzuholen. Doch was für eine Enttäuschung, nur ein Brassen zappelt in den Maschen. Da hätte man doch mit viel weniger Aufwand mehr Erfolg haben können. So, wie es die Angler machen: ein Loch bohren und mit der kleinen Eisangel fischen. Viele Stinte hätte man jetzt bekommen, hätte nicht so weit hinausfahren müssen und sich die Arbeit ersparen können, das große Loch in die Eisdecke zu schneiden.
Nun gut, unsere Gruppe entscheidet sich, einen anderen Platz auf dem Haff auszusuchen, um es dort zu probieren. Das Wetter ist weiter sehr schön, ein leiser Wind, die Sonne scheint und es liegt eine friedliche Stille über dem Kurischen Haff. Nur das Klappern ist zu hören, aber das gehört dazu und stört diesen Frieden nicht. Diesmal soll es noch weiter Richtung Osten gehen. Es mögen wohl schon vier Kilometer sein, die man von Nida entfernt ist. Das Fischerdorf ist über dem flimmernden Schnee längst nicht mehr zu erkennen.

ZWEITER VERSUCH

Die Arbeit beginnt von Neuem. In das Eis wird das Loch gesägt und gehauen, die Scholle zerkleinert und herausgenommen, die Netze gestellt, das Brett unter das Eis geschoben, ein Wodka auf einen besseren Versuch getrunken und wieder geklappert. Man hat sich im Schutz des Windsegels zusammengesetzt.

Tatsächlich, diese Stelle verspricht besser zu sein. Ein Netz bewegt sich recht stark und das andere kurz darauf ebenfalls. Es ist schon Mittagszeit, auf dem Eis glitzern die Schneekristalle. Eine Sonnenbrille wäre jetzt angebracht, aber unsere Fischer starren auch ohne Brille weiter auf das Loch im Eis, unter dem es tiefschwarze Nacht ist. Mit jedem Anzeichen, daß ein Fisch ins Netz gegangen sein könnte, wird ein kräftiger Schluck Wodka genommen. Die Stimmung wird zusehends besser, man macht Witze und wechselt sich beim Klappern ab.

Dann wird man sich einig, die Netze zu kontrollieren. Das Wasser gefriert an den Maschen, aber die Fischer spüren das kalte Wasser an ihren bloßen Händen nicht. Schon gar nicht, als zwei große Zander mit herausgezogen werden und dann noch einer, alle zwischen zwei und drei Kilo schwer. Und jetzt das andere Netz: ein großer Zander und ein etwas kleinerer sind das Ergebnis. Die Gruppe ist nicht unzufrieden und dennoch entscheidet Jonas, das Eis an anderer Stelle noch einmal zu öffnen und ein drittes Mal die Netze zu stellen, nur 100-200 Meter von der letzten Stelle entfernt. Schon steht die Sonne tief, und ein warmes Licht liegt über dem frierenden Haff, eine wunderbare Stimmung.

Vergessen ist die Fischerei, aber nur für einen kurzen Moment, denn die Netze deuten wieder an, daß man Erfolg zu haben scheint. Das Klappern auf dem Haff tönt weiter monoton aus verschiedenen Richtungen zu uns herüber.

GENUG FÜR HEUTE

Jonas, Ginteras, Albertas und Arunas wollen es für heute genug sein lassen und ihr Begleiter ist ganz ihrer Meinung, hat er doch schon vor Stunden angefangen zu frieren, ohne es ihnen zu zeigen und jetzt hält er es kaum noch aus auf dem Schnee, den die letzten Sonnenstrahlen treffen.

Das Brett wird herausgezogen und auf den Schlitten gebunden, das Windsegel zusammengerollt und dazugelegt. Die anderen nehmen inzwischen die Netze aus dem hier zwei bis drei Meter tiefen Wasser.Noch einmal kommen je ein Brassen und insgesamt fünf Zander ans späte Tageslicht. Die flache Holzkiste ist jetzt voll mit neun guten Zandern, dazu drei Brassen. Der Motor des Snowmobils wird angelassen, jeder sucht sich einen Platz auf einem der Schlitten und schon geht es zurück gen Nida, bei inzwischen empfindlicher Kälte. Da hilft auch der letzte Wodka und ein kräftiges Brot mit fettem Speck nichts mehr.

Bei einsetzender Dämmerung und inzwischen minus 15 Grad erreicht die Gruppe Nida. Nur ein angetrunkener Neugieriger erwartet uns. Ein alter Mercedes kommt angefahren, man gibt dem Fahrer die Zander und dem Neugierigen einen Brassen. Jonas, Ginteras, Albertas, Arunas und ihr Begleiter gehen schnurstracks in ein Lokal im Dorf, bestellen jeweils ein Bier und 100 Gramm Wodka und einen heißen Tee mit Rum. Die Zander aber sind schon auf dem weg nach Kaunas, wo verschiedene Restaurants auf die Fische warten.

Der Begleiter der Fischer aber wartet nur noch auf die Sauna und sein warmes Bett.

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